Hl. Severin
Das Wiener Becken in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts: Die brutalen Überfälle der Hunnen aus dem Osten sind gerade ausgestanden, arianische Germanenstämme bedrohen die großteils christliche Bevölkerung südlich der Donau. Genau in dieser Zeit tritt zuerst in der Gegend von Klosterneuburg, dann in Tulln und schließlich in Mautern eine geheimnisvolle, charismatische Gestalt namens Severin auf.
Über seine Herkunft wissen wir nichts. Seine Name weist ihn zwar als Römer aus, seine Lebensweise und seine Predigt aber als einen Mönch aus der oberägyptischen Wüste.
Die frühe Kirche im Donauraum
In der römischen Provinz Noricum findet er ein geschwächtes christliches Leben vor. Es gibt hier wohl seit dem zweiten Jahrhundert dank der aus dem Osten angesiedelten Soldaten und Sklaven christliche Gemeinden, sogar Kirchen und Bischöfe mit ihrem Klerus.
In ihnen aber dominieren Verunsicherung, religiöses Unwissen und verständliche Angst vor den handfesten politischen Veränderungen. Der Mönch aus der Wüste entwickelt in dieser tristen Situation ein beachtliches missionarisches, karitatives und politisches Engagement. Auch wenn er kein Kleriker, sondern als Mönch einfacher Christ ist, spart er in seinen Predigten nicht mit Kritik an der Verzagtheit seiner Mitchristen, noch mehr aber geht es ihm darum, christliches Leben aus der Heiligen Schrift heraus zu erneuern.
Pray and Share
Er gründet Klöster, die als Modellgemeinschaften vorleben, wie man durch Selbstversorgung (etwa Wein- und Obstbau) und Teilen (heute nennt man das wohl Sharing Economy) dem korrupten und ineffektiven römischen Handelssystem eine Alternative entgegensetzt.
Er nimmt sich die Freiheit, ausdrücklich im Namen des Evangeliums und nicht des römischen Rechts, für die von existentieller Not bedrängten Menschen wirksame Hilfe zu organisieren und er scheut nicht die persönliche Begegnung mit den feindlichen germanischen Arianern (Anhänger einer damals weit verbreiteten Irrlehre, die die wahre Gottheit Christi leugneten) nördlich der Donau, um in Verhandlungen die angespannte sicherheitspolitische Lage zu entschärfen.
Bei alledem beschreibt ihn sein Schüler Eugippius als Mann des Gebetes, der in der Tradition der frühen Mönche ganz aus der Hl. Schrift lebt. Er stirbt, umgeben von seinen Mönchen im Kloster Mautern an der Donau, am 8. Jänner im Jahr 482. Seine letzten Worte sind, so Berichte des Eugippius, der letzte Vers aus dem Buch der Psalmen: “Alles was atmet lobe den Herrn!“
Alles umsonst?
Nach rein menschlichen Maßstäben hat das Wirken Severins keinen dauerhaften Erfolg. Die Christen werden nach seinem Tod fast zur Gänze aus dem Donauraum verdrängt. Auch die Mönche Severins weichen den Germanen. Die Gebeine ihres Gründers nehmen sie mit nach Italien. Severins Grab befindet sich bis heute im süditalienischen Frattamaggiore.
Im 112. Psalm heißt es, der Gerechte bleibe “ewig im Gedächtnis“. Zweihundert Jahre nach dem Untergang des Christentums im Donauraum kommen wieder Mönche, dieses Mal aus Irland und Großbritannien und setzten erfolgreich fort, was Severin begonnen hat. Die Abtei Göttweig, nur wenige Kilometer oberhalb von Mautern gelegen, führt wie viele andere Orte geistlichen Lebens das Werk des Mönches Severin bis heute fort.